Die Rolle der Kirche

Am 29. März 1863 trat unter dem Namen " Bestimmungen für das Armenische Volk" eine Bestimmung in Kraft, die den Zustand der armenischen Gesellschaft im Osmanischen Reich noch mehr verstärkte, ihnen weitere zusätzliche Rechte gab und ihre Selbstverwaltung für unabhängig erklärte. Diese Bestimmung, die den Armeniern zusätzlich zu ihren vorhandenen Rechten, zahlreiche neue Rechte hinzugab, ist gemäß den Bestimmungen der Reformverordnung eine Belohnung an die, seit Hunderter von Jahren als treueste Staatsangehörige anerkannten Armenier. In dieser, mit dem Einverständnis des Osmanischen Reiches direkt seitens der Armenischen Patriarchenräte aufgestellten Bestimmung wurden den Armeniern unangemessene Privilegien wie z.B. "Staat im Staat" und "Verwaltung in der Verwaltung" zugeteilt. Die Armenier wollten mit dieser "Völkerbestimmung" in einer Hinsicht die Gewaltherrschaft der edlen Armenier beheben.

In dieser Zeit lebten die gregorianischen Armenier unter der Verwaltung ihres Patriarchen in Istanbul, in 26 bischöflichen Residenzen und die katholischen Armenier, von denen die meisten in der Stadt lebten, standen unter der Verwaltung eines Patriarchen und lebten in 13 bischöflichen Residenzen . Der armenische Schriftsteller Kagik Ozanyan erklärte, daß diese Bestimmung bei den Armeniern den Revolutionsgedanken hervorgebracht hat und damit "die Armenier Frage auf die Tagesordnung gebracht wurde .

DIE UNABHÄNGIGKEITSARBEITEN DER ARMENISCHEN KIRCHE

Nachdem im Jahre 1863 die "Bestimmungen für das Armenische Volk" veröffentlicht wurden, begannen die Patriarchen mehr auf der nationalen und politischen Seite zu arbeiten. Diese Bestimmungen stellten für die Armeniern einen Schritt zur Unabhängigkeit dar und sie hofften, daß falls der, aufgrund der Vorfälle in Libanon aufgetretene Eingriffe Europas erweitert werden sollte, sie einen Nutzen daraus ziehen können. Die im Osmanischen Reich für das unabhängigen Armenien aufgetretenen Aufstände (zwischen den Jahren 1780 -1862) führten zu keinem Ergebnis .

Der Führer des Gedanken, ein unabhängiges Armenien im Osmanischen Reich zu gründen, ist der Patriarch Migirdiç Hirimyan (1869 - 1873). Der 1820 in Van geborene Migirdiç Hirimyan wurde im Jahre 1854 im Alter von 34 Jahren zum Priester  der Akdamar Kirche und somit auch zum Mitglied der Kirche. Mit der 1858 im Varak Kloster in Van gegründeten Druckerei begann er für die Unabhängigkeit der Armenier die Zeitung mit dem Titel "Van Adler" herauszubringen, und 1863 veröffentlichte er im St. Garabed Kloster in Mus die Zeitung mit dem Titel "Mus Adler". Hirimyan weckte mit seinen Predigten Interesse und wurde 1869 in Istanbul zum Armenischen Patriarchen gewählt.  Nachdem er zum Patriarchen gewählt wurde, erwachten die nationalen Interessen der Armenier und stiegen bis an die Spitze. Der Patriarch Hirimyan begann sofort nach seinem Dienstantritt auf zwei Grundsätzen zu arbeiten:

a. Eine erneute Untersuchung der "Bestimmungen für das Armenische Volk" und die Überarbeitung dieser nach den Wünschen und Bedürfnissen der Provinzen,

b. Das Interesse Istanbuls, des Parlaments und der Regierung auf Armenien zu ziehen.

Einige Bankangestellte, Juweliere und Staatsbeamten, die zur Hirimyan's Politik, die Armenier in Abenteuer zu bringen, nicht zustimmten und ihre Zukunft darin sahen, an die Türkei gebunden weiterzuleben, leisteten gegen ihn Widerstand. Als Hirimyan schließlich seinen Zweck als Patriarch nicht erreichen konnte, mußte er im August 1873 sein Amt niederlegen.

Der Patriarch Nerses Varjabedyan (1874 - 1884 ) trat an seine Stelle und ging in den Fußstapfen Hirimyan's. Im Jahre 1876 kam Abdülhamit II. an den Thron und verkündete den I. Konstitutionalismus. Nerses Varjabedyan übergab dem Englischen Generalbotschafter Henry Elliot bei der Istanbul Konferenz, die sich zur Lösung des Bulgarien-Problems versammelte (12. Dezember 1876 - 20. Januar 1877) einen, seitens des ehemaligen Patriarchen Hirimyan aufgestellten Bericht, der über den, angeblich auf den Osmanischen Armeniern ausgeübten Druck berichtete, erlangte jedoch aufgrund des Themas der Konferenz kein Resultat.

Die Beschwerdenberichte und -anträge, die zur Zeit des Hirimyan begannen, nahmen nach dem Problem der Christen im europäischen Teil einen ernsthaften Zustand an. Nach der Untersuchung der, seitens des Patriarchats bei der Osmanischen Regierung und den europäischen Staaten eingereichten Unterdrückungsberichte, wurde festgestellt, daß die meisten dieser nicht weiter als einfache, in den Provinzen vorgekommene Vorfälle waren. Während das Patriarchat einerseits jeden Vorfall systematisch übertreibend an die Regierung weiterleitete, wurden diese andererseits in Form von wichtigen Vorfällen an die Vertreter der europäischen Staaten übermittelt.

Vor dem Osmanisch-Russischen Krieg in den Jahren 1877 - 1878 kamen für die Armenier zwei Wege in Frage:

a. Dem Osmanischen Reich und den Türken treu bleiben

b. Die Bewegungen der anderen christlichen Gesellschaften, die sich im Osmanischen Reich aufhielten verfolgend voranzugehen und den Eingriff der europäischen Staaten zu ermöglichen.

Patriarch Nerses berichtete in seinem Brief vom 13. April 1878 an den Englischen Außenminister Lord Salisbury folgendermaßen:

" Von nun an ist es unmöglich, daß die Armenier zusammen mit den Türken leben. Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Glaubensfreiheit kann nur von einer christlichen Verwaltung gewährleistet werden. Die christliche Verwaltung sollte an die Stelle der islamischen treten. Armenien (Ostanatolien) und Kilikien  sind diejenigen Orte, an denen die christliche Verwaltung gegründet werden muß... Dies ist der Wunsch der türkischen Armenier... Das bedeutet also, daß auch im Türkei-Armenien, genauso wie in Libanon, eine unter Sicherheit gestellte christliche Verwaltung verlangt wird".

Patriarch Nerses besuchte am 17. März 1878 den englischen Generalbotschafter Layard in Istanbul und es fand folgendes Gespräch statt: "Vor einem Jahr hatten wir keine Beschwerden bezüglich der osmanischen Verwaltung, doch der russische Sieg hat den Zustand verändert, wir fordern im Osten ein unabhängiges Armenien. Falls Sie uns dabei nicht weiterhelfen können, werden wir uns diesbezüglich an Rußland wenden." Als der Botschafter ihn fragte, was er mit Armenien meine, antwortete er "Van, Sivas, Diyarbakir und Kilikien. " Als der Botschafter meinte "Ja, aber in keinem dieser Orte seid ihr in der Mehrheit", erläuterte er das Ziel der Armenier mit folgenden Worten "Das wissen wir, aber jetzt erweitert Rußland sein Land nach Osten, das Machtgleichgewicht zwischen Rußland und dem Osmanischen Reich hat sich verändert. Wir müssen auch an unsere Zukunft denken."

Der Osmanisch - Russischekrieg (1877 - 1878) wurde am 31. Januar 1878 nach dem Friedensantrag der Osmanen mit dem Waffenstillstand in Edirne abgeschlossen  , die Friedensvoraussetzungen wurden in Ayastefanos (Yesilköy) festgesetzt. Während der Besprechungen zu den Friedensvoraussetzungen in Haghi Stephanos führten Nerses Varjabedyan persönlich und einige armenische Angesehene ein Gespräch mit Grandük Nikola, dem Vorsitzenden des der russischen Delegiertenkommission und dem Bruder des Zaren und schafften es, der Vereinbarung einen Artikel im Bezug auf die Armenier hinzuzufügen. Die am 3. März 1878 zwischen dem Osmanischen Reich und Rußland unterzeichnete und relativ schwere Bestimmungen beinhaltende Haghi Stephanos-Vereinbarung hatte in seinem 16. Artikel mit der Benennung "Armenien" die Existenz eines solchen Landes vorgelegt. Doch diese Vereinbarung trat nicht in Kraft.

Als der Patriarch Varjabedyan davon erfuhr, daß die Haghi Stephanos-Vereinbarung in Berlin geändert werden sollte, trat er in Aktion und zeigte vor allen, an dem Kongreß teilnehmenden Staaten eine intensive Aktivität. Zu diesem Zweck fuhr Horen Nar Bey, der Erzbischof von Besiktas nach Rußland (St. Petersbug) und wurde seitens Zar Alexander des II. Empfangen. Horen Nar Bey bat der Zar darum, die osmanischen Armenier weiterhin zu beschützen und ihren Kampf beim Kongreß in Berlin zu verteidigen. Eine andere Gruppe fuhr unter der Führung des ehemaligen Patriarchen Hirimyan in die Hauptstädte Europas (Rom, Wien, Paris, London) und versuchte die Politiker durch Propaganda für den Armenischen Kampf (Hai Tahd) zu gewinnen. Diese Gruppe hatte zur Gründung Armeniens in der Türkei ein, aus 7 Artikeln bestehendes Projekt aufgestellt, daß die Wünsche der Armenier darstellte

Der Patriarch Nerses Varjabedyan hatte einerseits in dem Brief  an Karekin Papazyan, der armenischer Komiteevorsitzenden in Manchester erklärt, daß ihre Politik, Rußland dankend, und von England Hoffnung erhaltend an materiellen und geistlichen Wohlstand zu gelangen ist, und erklärte andererseits, bei seinem, am 30. Juni dem Generalbotschafter von England abgestatteten Besuch, daß sie ihr Projekt beim Kongreß eingereicht haben und verlangte, daß England dieses Projekt unterstützt.

Der Patriarch Nerses hat den großen Staaten außerdem Kirchenstatistiken über die, im Osmanischen Reich lebenden Armenier zugeschickt, die jedoch im Bezug auf die Einwohnerzahl relativ übertrieben waren.

Schließlich wurde diese künstliche Angelegenheit, durch einige kleine Umänderungen des 16. Artikels der Ayastefanos-Vereinbarung als 61. Artikel des am 13. Juli 1878 unterzeichneten Berliner Abkommens anerkannt. Somit wurde die "Armenier Frage" als eine, unter Aufsicht der großen Staaten im Osmanischen Reich durchzuführende "Reformangelegenheit" festgesetzt.

Nuryaz Ceraz, die zusammen mit Patriarch Hirimyan als Übersetzerin/Sekretärin am Berliner Kongreß teilnahm, hat in ihrer 1879 veröffentlichten Broschüre betont, daß die Armenier mit den Resultaten des Berliner Kongresses nicht ihre Hoffnung verlieren sollen und sprach sie folgendermaßen an :

"Der Berliner Kongreß... hat das Fundament für den zukünftig zu gründenden nationalen Bau (der Armenische Staat) angelegt ... Europa hat uns die hierfür die Waffen zur Verfügung gestellt; Wir müssen diese Waffen benutzen, bevor sie verrosten ... Mit dem Berliner Kongreß haben wir eine Goldmine erhalten, es ist nun unsere Aufgabe, diesen Bergbau zu betreiben und das Gold auszugraben".

Wie in dieser Broschüre zu sehen ist, wird den Armeniern empfohlen, eine bewaffnete Aktion durchzuführen, die seitens der europäischen Staaten unterstützt wird.

Der Patriarch Nerses Varjabedyan glaubte daran, daß diese Angelegenheit mit einer Revolution und einem Aufstand bewältigt werden müsse und um dieses Fundament aufzustellen hat er im Patriarchat eine "Reformkommission" gegründet. In dem, Mitte 1879 an die bischöflichen Residenzen zugestellten Rundschreiben, wurden die Armenier mit einem Satz zum Aufstand aufgerufen. In diesem Rundschreiben standen die Anforderungen an die armenischen Gläubigen, die sich in den Provinzen befanden.

Inzwischen beschäftigte sich Erzbischof Mateos Izmirliyan, der stellvertretende armenische Patriarch in Istanbul damit, an die bischöflichen Residenzen Briefe zu schreiben. Nach Untersuchung dieser Briefe wurde festgestellt, daß das Patriarchat sich in einem verräterischen Zustand befand, und daß das geführte Verhalten danach gerichtet war, die Regierung zum Umsturz zu bringen, einen fremden Eingriff zu gewährleisten und schließlich eine Unabhängigkeit zu erhalten.

Zu den verschlüsselten Schreiben, die in den Jahren 1881 und 1882 an das Innenministerium eingereicht wurden und über die staatsfeindlichen Aktionen des Patriarchats berichteten, nahm Hakki Pascha, der Gouverneur von Sivas folgendermaßen Stellung :

Das Patriarchat hat begonnen, an die Bischöfe Rundschreiben zuzuschicken, die auf die Vorbereitungen auf eine Revolution und einen Aufstand hinweisen. Das Patriarchat hat die vernünftigen, älteren Bischöfe und Priester, die eingesehen haben, daß eine Revolution und ein Aufstand kein Ausweg für die Armenier ist, daß dem armenischen Volk dadurch ein Schaden zugefügt wird, und ihre Befehle demnach nicht befolgten, von ihren Diensten verwiesen (einige von ihnen wurden ermordet) und anstelle dieser, junge und revolutionäre Bischöfe und Priester angestellt. Das Patriarchat hat mit seinen geheimen Rundschreiben in die Volkszählung eingegriffen, was eigentlich eine Sache des Staates ist, und Studien aufgestellt, nach denen die Armenier angeblich in 6 Provinzen in der Mehrheit sind.

Das Patriarchat hat von den Armeniern unter verschiedenen Namen (hilft den notdürftigen Armeniern, die Auszahlung der Schulden von Jerusalem u.ä.) Steuern einbezogen und in der europäischen Presse zugunsten der Armenier und gegen die Türken umfangreiche Propaganda durchgeführt. Hierzu haben sie versucht, die Türken für die Mordvorfälle verantwortlich zu halten, und nicht die Tatsachen entsprechende Mordnachrichten verbreitet. Zusammengefaßt haben sie die Vorfälle umgedreht und eine Kampagne mit falschen und verleumdenden Aussagen gestartet. Hunderte von Lira (Goldstücke), wurden seitens des Patriarchats von den Armeniern unter dem Namen "Hilfe" eingesammelt.

Mit einem Teil dieser Gelder haben sie aus Rußland nach Ostanatolien bewaffnete Terrorgruppen und Rebellen eingeführt, und somit eine Terrorbewegung gestartet. Die Priester haben in zwei bis drei Jahren, die Gedanken aller Armenier, bis zu den Kleinkindern in den Armenierschulen verändert, und den Respekt vor den Befehlen der Regierung, sowie die Befolgung dieser von Grund auf zerrüttet. Das Patriarchat hat die Gründung der Komitees unterstützt und an diese große Geldspenden weitergeleitet. Es ist vom Nutzen darauf hinzuweisen, daß die Komitees unter der Leitung des Patriarchats waren.

Nach dem Tod von Nerses Varjabedyan, im Jahre 1884 wurde Harutyun Vehabedyan (1885 - 1888), der Bischof von Erzurum, im Jahre 1885 zum Patriarch gewählt. Vehabedyan billigte die Politik von Migirdiç Hirimyan und Nerses Varjabedyanund glaubte daran, daß für die Besserung des Zustandes der Türkei-Armenier von Europa keine Hoffnung zu erwarten sei.

Zur Zeit von Harutyun Vehabedyan, der drei Jahre lang Patriarch blieb, entwickelten die armenischen Aufstandskomitees ihre Organisationen und eröffneten in Europa und in den USA weitere Zweigstellen. Nun stand der armenische Nationalismus, mit anderen Worten die Unabhängigkeit fordernde revolutionäre Bewegung, neben der Kirche und wurde auf die armenischen Revolutionsparteien übertragen. Die erste armenische politische Partei, die einen bestimmten Einfluß gewann, sich nach dem Modell der europäischen Vorgänger organisierte und sein eigenes Presseorgan besaß, war die "Armenagan", die im Jahre 1885 in Van gegründet wurde.(19) 1887 gründeten die Armenier in Genf ihre erste marxistische Partei. Diese nahmen später, im Jahre 1890, den Namen "Revolutionäre Hindschak Partei" an.

Zur Zeit von Horen Asikyan (1888 - 1894) dem Hauptpriester des Klosters von Izmit und dem Nachfolger von Harutyun Vahabedyan wurden die in den Provinzen auftretenden einfachen Vorfälle seitens der dortigen Bischöfe übertrieben und nach der entsprechenden Interpretation als "Türkische Unterdrückung und Folter" (!) an Europa weitergeleitet, woraufhin auch ein diesbezüglicher Eingriff gefordert wurde.

Doch die armenischen Revolutionäre haben auf Patriarch Horen Asikyan mit der Begründung, er könne die von ihm verlangte Aktivität nicht durchführen, ein Attentat verübt. Der Patriarch wurde dabei nur verletzt und hat seinen Dienst nach diesem Vorfall gekündigt.

Anstelle von Horen Asikyan wurde Mateos Izmirliyan (1894 - 1896), der ehemalige Patriarch von Ägypten, zum armenischen Patriarch von Istanbul gewählt, was die Hindschaks sehr erfreute. Er hat auch diejenigen Beamten angestellt, die Komiteemitglieder waren. Izmirliyan hat nicht nur den Revolutions- und Aufstandsgedanken verbreitet, sondern auch alle Arbeiten der Regierung schwer kritisiert und an das englische Generalkonsulat und an die Londoner Zeitungen Berichte zugeschickt .

Die Aufstände, die zur Zeit von Mateos Izmirliyan für die Unabhängigkeit der Armenier durchgeführt wurden, verbreiteten sich rasch in fast allen Provinzen. Diese Aufstände wurden mittels des Geschicks von Abdülhamit II. in kurzer Zeit unter Kontrolle genommen. Als Izmirliyan daraufhin von seinem Amt austrat und nach Jerusalem zog, wurde er nach seiner Rückkehr nach Istanbul zum zweiten Mal (1908 - 1909) zum Patriarchen ernannt.

DIE VERKÜNDUNG DES KONSTITUTIONALISMUS UND DIE ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN KIRCHE - TASCHNAK - HINDSCHAK

Als am 23. - 24. Juli 1908 der II. Konstitutionalismus verkündet wurde, wurde das Patriarchat mit seiner ganzen Existenz zu einer Revolutionäreinrichtung. Die armenische Kirche nahm auch nach dem Konstitutionalismus seinen Platz im Terror ein.

Der Bericht mit der Zahl 602  der am 3. Dezember 1910 von der Russischen Botschaft in Bitlis an den russischen Botschafter in Istanbul geschickt wurde, bringt die Beziehung zwischen der Kirche und den Taschnak-Angehörigen mit ganzer Klarheit ans Tageslicht.

Direkt nach dem "Vorfall vom 31. März" in Istanbul war der Staat vorläufig ohne Regierung, was den Armeniern die erwartete Gelegenheit bot. Der mit der Förderung des armenischen Bischofs Museg in Adana am 14. April 1909 zustande gekommene Armenieraufstand wurde mit dem Zweck organisiert, das Interesse der europäischen Länder zu wecken, sie zum Eingriff zu bringen und in Adana, Maras, Mersin und Iskenderun mit Hilfe der Hindschaks einen armenischen Staat zu gründen. Bei den 13-tägigen Vorfällen in Adana kamen rund 20.000 Türken und Armenier ums Leben, Bischof Museg flüchtete schon am zweiten Tag der Revolution nach Alexandria.

Zur gleichen Zeit, am 29. Mai 1909 fuhr Mateos Izmirliyan, der armenische Patriarch von Istanbul los, um anstelle des am Oktober 1907 verstorbenen Ecmiyazin Kathogisen Migirdiç Hirimyan an das Kathogismus Amt zu treten, und an seine Stelle wurde der Patriarch Yegiçe Turyan (1909 - 1911) ernannt (27). Nach ihm wurde Hovannes Arsaruni (1912 - 1913) zum Patriarchen gewählt.

"DIE BESTIMMUNGEN DES ARMENISCHE KATHOGISMUS UND PATRIARCHAT"

Die seitens des armenischen Patriarchats zum Zweck der Teilung des Landes durchgeführten Aktivitäten führten dazu, daß die im Jahre 1863 seitens des Staates mit den "Bestimmungen für das armenische Volk" eingeführten Rechte abgeändert werden mußten. Mit dem am 10. August 1916 in Kraft getretenen neuen "Bestimmungen für den armenischen Kathogismus und das Patriarchat".  wurde nur der geistliche und überlegene Kathogismus, anstelle des halb geistlichen, halb politischen und administrativen Patriarchats mit den Befugnissen beider Ämter zusammengeführt und das Amt Kathogismus-Patriarchat aufgestellt. Zwei Kathogismen, die im Osmanischen Reich vorhanden waren ( Sis und Akdamar ) und zwei Patriarchate ( Istanbul und Jerusalem ) wurden aufgehoben und anstelle dieser das Amt Kathogismus-Patriarchat eingeführt; Der Sitz dieses Amtes wurde nicht im politischen Staatszentrum Istanbul, sondern im christlichen Religionszentrum Jerusalem aufgestellt. Auch die Patriarchate wurden umgeändert und der aus 140 Personen bestehende hohe Rat wurde aufgehoben, anstelle davon wurde ein, aus 12 Mitgliedern bestehender Religionsrat und ein gemischter Rat gegründet.

Der Zweck des Osmanischen Reiches war es, mit diesen Bestimmungen den Kontakt zwischen dem Eçmiyazin Kathogismus, Rußland und den Osmanische Armeniern abzubrechen. Somit wurde versucht, die Osmanischen Armenier vom geistigen Schutz der Russen zu befreien.

Das Osmanische Reich verlor den ersten Weltkrieg und wurde nach den, am 30. Oktober 1918 mit den verbündeten Staaten unterzeichneten Bestimmungen des Waffenstillstandes von Mudros besetzt. Jetzt begann die Befreiung des Landes und die Gründung eines neuen Staates, der Türkischen Republik.

DIE ARBEITEN DES PATRIARCHEN ZAVEN EFENDI

Der Waffenstillstand von Mudros war ein wichtiger Schritt bei der Gründung Armeniens. Gemäß den Bestimmungen von 1918 gründete der am 6. Dezember 1918 aus Istanbul eingetroffene armenische Patriarch Zaven Efendi , eine Organisation zur Gründung eines unabhängigen Armeniens, sammelte Waffen, Munition und Geld, um die finanziellen Mängel zu aufzuheben und wurde vom Patriarchat im europäischen Teil in großem Umfang unterstützt.

Unter dem Titel "Vertreter der türkischen Armenier" wandte sich Bogos Nubar Pasa am 30. November 1918 an die verbündeten Staaten und forderte die Gründung eines unabhängigen Armeniens und den Schutz dieser Unabhängigkeit seitens der verbündeten Staaten und des Völkerbundes . Auf der anderen Seite fuhr auch Patriarch Zaven Efendi am 12. Februar 1919 von Istanbul nach Paris und von dort nach London, um seine Studien bezüglich der Realisierung der gleichen Sache fortzuführen. Zaven Efendi klärte Bogos Nubar Pasa bei einer Besprechung über einige Sachen auf und führte andererseits mit Lord Cecil, Lord Curzon und seinem Gehilfen Lord Harding, sowie mit dem Franzosen Chambon und dem griechischen Ministerpräsidenten Venizelos weitere Gespräche . Um den Dank der Armenier auszudrücken besuchte er den englischen König George V. . Nachdem Zaven Efendi von London nach Paris zurückkehrte führte er mit dem französischen Staats- und Ministerpräsidenten eine Besprechung und kehrte äußerst zufrieden zurück.

Nach der Gründung der Türkischen Republik und nach dem Friedensvertrag von Lausanne gab es keine Armenier Frage mehr und abgesehen von der Problematik der armenischen Kirche war die Republik gegen alle Angelegenheiten, was die armenische Gesellschaft anging. Das armenische Patriarchat zeigte immer noch Reaktion gegen den angeblichen Völkermord an Armeniern.

Schließlich hat Dikran Kevorkan, der Vorsitzende der armenischen Kirche in Kandilli, beim TV-Programm mit dem Namen "Ceviz Kabugu", das am 07. Oktober 2000 ausgestrahlt wurde, auf die in den letzten 6 Monaten erneut vorgeworfene Propaganda, über den Völkermord und die Umsiedlung folgende Erläuterung gemacht:

"Völkermord und Umsiedlung (ein Teil der Bevölkerung anderswo ansiedeln, ansässig machen) haben andere Bedeutungen. Die Spiele der Imperialisten, die apolitischen Gedankenführer (Medien, Kirchen, Geistliche) der armenischen Verwalter, haben zu all diesen Vorfällen geführt. Der Patriarch ist ein geistlicher Führer. Es ist ein Fehler, dem Patriarch in politischen Themen nach seiner Meinung zu fragen. Was hätten die ASALA und die PKK tun können, wenn die imperialistischen Mächte nicht hinter ihnen gestanden hätten?

Über die Assimilationsbehauptungen sagte Kevorkan folgendes:

"Weltweit können heute die Armenier am stärksten ihre eigene Identität in der Türkei wahren. Der Armenier im Ausland, in der Diaspora tritt in den Kampf, in dem er seinen Namen ändert. Denn dort versucht man, mit einer anderen Kultur, die Kultur dieser Menschen zu unterdrücken. Die Armenier in der Diaspora, die heute gegen die Türkei sprechen, wissen all zu gut, daß in bestimmten Kirchen in Amerika die Predigten nur in englischer Sprache abgehalten werden können.

Die Armenier verlernen ihre Muttersprache. Und wenn man das sagt, dann heißt es, man sei böser Mensch. Aus diesem Grund bringen wir als armenische Bürger in der Türkei unser Bedauern zur Sprache. Und warum? Weil dem, von Atatürk uns anvertrauten Geist der Kuvay-i Milliye (nationale Streitkräfte im nationalen Befreiungskampf der Türkei) Unrecht getan wird. Alles ist das Spiel der im Ausland Lebenden. Die PKK, die ASALA, diese Resolution, all dies sind ein Spiel von ihnen. Wir, die in der Türkei lebenden Bürger glauben, daß ungerecht gehandelt wird. Falls die Armenier klug sind, sollten sie sich nicht als Mittel ausnutzen lassen."

QUELLEN: Ilber Ortayli, Lokale Verwaltungstradition vom Tanzimat bis zur Republik, istanbul 1985, S. 73. Esat Uras, og W., S. 412. Siehe Erdal Ilter, Die Perspektive der Armenier-Angelegenheit und die Zeytun Aufstände ( 1780 - 1880 ), Ankara 1988, S. 97 - 115. Die geistlichen Titel der armenischen Kirche sind folgende : Kathogismus, Patriarchat, Bischhof, Vartabed, Priester. Esat Uras, ogW., S. 417; Louse Nalbandian, a.g.e., S. 53; Kamuran Gürün, ogW., S. 62, 74 - Mit dem Ausdruck Armenien ist hier Ostanatolien gemeint . Doch es wurde wissenschaftlich anerkannt, daß der Begriff Armenien kein ethnischer, sondern ein geographischer Ausdruck ist. Der Name Armenien bedeutet soviel wie "Hohes / Oberes / Gebirgsgebiet" und wird seit dem XIII. Jh. in diesem Gebiet (Ostanatolien) bis zur zweiten Hälfte des XIX: Jh. als "Türkmenenland" bezeichnet. Für weitere Informationen bitte siehe H.Kemal Türközü, Der Name Türkmenenland (Ostanatolien) und der Einfluß des Imperialismus, Ankara, 1985, S. 1 - 12; Kamuran Gürün, ogW., S. 1 - 9; Mehlika Akok Kasgarli, a.g.e., S. 329; Tuncer Baykara Einführung in die historische Geographie Anatoliens, Die administrative Einteilung Anatoliens, 1, Ankara 1988, S. 24 - 25 , Esat Uras, ogW., S. 417; Salahi Ramsdan Sonyel, The Ottoman Armenians, S. 41. Kilikien, ist ein Gebiet, das zwischen dem Taurusgebirge, dem Amanos Gebirge und dem Mittelmeer liegt. Im administrativen Sinn ist Kilikien die Bezeichnung für die Provinz Adana im Osmanischen Reich. Die Grenzen Ziliziens haben sich von zeit zu Zeit geändert. F. O. 424 / 70, Nu. 134 / I Zikr. , Bilal N. Simsir, British Dokuments On Ottoman Armenians ( 1856 - 1880 ), Vol I, Ankara 19 R2, S. 173, Dokumentennummer 69. Kamuran Gürün, a.g.e., S. 99 Nihat Erim, Zwischenstaatliche Rechts-, Politik-, und geschichtstexte : Abkommen im Osmanischen Reich, C. 1 , Ankara 1953, S. 381 - 385. Für das gesamte Projekt siehe Esat Uras,ogW., S. 459 - 485; Enver Ziya Karal, a.g.e., Band Viii, S. 132; L' Angleterre et les Armeniens ( 18391904 ), S. 19 - 22. Für den Brieftext siehe, Esat Uras, ogW., S. 485 -486. Kamuran Gürün, a.g.e., S. 104 Turkey Nu. 4 ( 1880 ), Nu. 118 / I, zikr., Bilal N. Simsir, ogW., S. 602 - 606, Dokumentennummer Nu. 309. Mehmed Hocacioglu, Armenierbedrückung in der Geschichte und die Armenier , Istanbul, 1976, S. 181 - 182. Zum Inhalt des Briefes siehe Aspirations et Agissement Revolutionnaires des Comites Armeniens ..., S. 308 - 310 Mehmet Hocaoglu, ogW, S. 182 - 185 Louise Nalbandian, ogW, S. 90 Louise Nalbandian, ogW, S. 104, 1 17. Sesat Uras, a.g.e., S. 724 - 725, Für den Drohbrief, der Horen Asikyan, seitens der Hincak Organisation zugeschickt wurde, siehe : Aspirations et Agissement Revolutionnaires des Comites Armeniens ..., S. 310 - 311 Hüseyin Nazim Pascha, Geschichte der Armeniervorfälle, I, Ankara 1994, S. 66. Für die chronologische Reihenfolge der Aufstände siehe, Kamuran Gürün, ogW, S. 139 - 159. Esat Uras, a.g.e., S. 833; Salahi Ramsdan Sonyel, a.g.e., S. 281. Aspirations et Agissement Revolutionnaires des Comites Armeniens ..., S. 95 - 103. Für genaue Informationen über die Vorfälle in Adana im Jahre 1909 siehe Cemal Pascha, Hatirat ( 1913 -1922 ), Istanbul 1922, S. 249 - 256; Esat Uras a.g.e. S. 810 - 829; Mehmet Asaf, Die Armeniervorfälle und Erinnerungen im Jahre 1909 in Adana, vorbereitet von Ismet Parmaksizoglu, Ankara 1982; Salahi R. Sonyel, " The Turco - Armenian Adana Incidents in the light of Secret British Dokuments ( Juni , 1908 - Dezember , 1909), " Belleten, zahl : 20 i ( Dezember 1987 ), S. 1291 - 1338. Jacques de Morgan, a.g.e., S. 369 : Raymond H. Kevorkian-Paul B. Pboudjian, Les Armeniens dans L' Empire Ottoman, paris 1992, S. 29. Jacques de Morgan, a.g.e., S. 369 BOA, DUIT, NU. 67 / 1 - 1; Für die Bestimmungen in französischer Sprache siehe Hrant Vartabed, L' Empire Ottoman et LS' Independance de L' Eglise Armenienne, Publications du Dadjar, Nu. 2, Contsntinople 1917, S. 80 - 94. Der armenische Bischof Zaven Efendi hat 1898 - 1906 in Erzurum, 1910 in Van, 1919 - 1913 in Diyarbakir gearbeitet , im september 1913 wurde er zum armenischen Patriarchen in Istanbul gewählt, wurde jedoch aufgrund seiner schädlichen Aktivitäten nach Bagdat versetzt. Nach dem Waffenstillstand von Mudros im Jahre 1918 kam er zurück nach Istanbul. Für weitere Informationen siehe Christopher J. Walker, a.g.e., S. 426 - 427; Ausserdem siehe auch Zeki Sarihan, Tagebuch des Befreiungskrieges, I, Ankara 1993, S. 136 - 137. M. Kemal Atatürk, Nutuk I, 1919 - 1920, Istanbul, 1967, S. 2; Selahattin Tansel, von Mundros bis nach Mudanya, I, Ankara 1973, S. 106 Ergünöz Akçora, " Nutzvolle und gefärliche Gesellschaften, die während des nationalen Kampfes gegründet wurden" TDTD, Ausgabe : 4 ( April 1987 ) , S. 20. Für das Bewerbungsschreiben des Bogos Nubar Pasa siehe Esat Uras a.g.e., S. 923 - 924. Esat Uras, ogW., S. 943 - 944. Esat Uras, ogW., S. 943 - 944. Esat Uras, ogW., S. 943 - 947.